17bdemandt Karte 17b
Der Einflußbereich der Grafen von Katzenelnbogen
Von Karl E. DEMANDT Lfg. 5, 1962-M. 1:600000 Kartenentwurf: Karl E. DEMANDT
Als Friedrich Uhlhorn, der maßgebliche Gestalter und Leiter der Arbeit am geschichtlichen Atlas von Hessen, sich in seiner dritten und letzten Erörterung der Grundsätze dieses Unternehmens 1973 noch einmal zusammenfassend äußerte, sagte er zu der hier zu besprechenden Karte: »Mit ihr konnte die Kritik bisher, soweit ich sehe, nicht recht fertig werden. Bekanntlich ist die Grafschaft Katzenelnbogen für die territoriale Geschichte und Entwicklung des Landes Hessen von ausschlaggebender Bedeutung gewesen. Wir durften deshalb auf ihre Darstellung nicht verzichten. Ihre Entwicklung zu einem geschlossenen Territorium war aber 1479, als sie an die hessische Landgrafschaft fiel, noch längst nicht beendet. Wir mußten also nach einer Art der Darstellung suchen, die ein im Aufbau befindliches, noch nicht begrenzbares Territorium zeigte. Alle Rechte bis ins Einzelne in die Karte aufzunehmen, war räumlich nicht möglich. Deshalb beschränkten wir uns darauf, die Intensität, mit der die Grafen ihre Landeshoheit am Ende ihrer Existenz durchgesetzt hatten, in drei Farbstufungen wiederzugeben. Notgedrungen haben wir uns dabei an die Gemarkungsgrenzen gehalten in vollem Bewußtsein, daß auch das problematisch genug ist. Aber auf andere Weise wären wir nicht zu einem verständlichen Kartenbild gekommen«1J.
Inzwischen ist das Besondere dieser »Drei-Stufen-Karte« auch von anderer Seite hervorgehoben und dabei betont worden, daß sie auch im nicht kartographischen Bereich zu neuen Fragestellungen auffordere2). Angesichts dessen soll im Rahmen der Erläuterung dieser Karte wenigstens auf eines der von ihr nicht erfaßten, aber gleichwohl wesentlichen Merkmale des Objektes hingewiesen werden. Wenn nämlich Uhlhorn mit seiner Beschreibung der Schwierigkeiten, die sich der Kartierung eines in stetigem Wandel befindlichen Gebietes entgegenstellen, die Problematik einer solchen Karte aufgezeigt und am Beispiel der vom 13. bis zum 15. Jh. im fortwährenden Auf- und Ausbau begriffenen Katzeneln-bogener Grafschaft dargestellt hat, dann ist das nur die eine Seite der Schwierigkeit, einer geschichtlichen Erscheinung wie der Grafschaft Katzenelnbogen gerecht zu werden. Selbst eine in der vorliegenden Weise farblich und damit aussagemäßig abgestufte Karte kann nämlich den Einflußbereich der Katzenelnbogener Grafen lediglich im territorialen Bereich fassen und mehr oder minder scharf widerspiegeln. Das vorliegende Kartenbild begrenzt diesen Bereich notgedrungen auf die in irgendeiner rechtlichen Form zur Grafschaft als Eigen, Lehen oder Pfandschaft gehörenden Gebiete, obwohl dieses der tatsächlichen Ausdehnung des Katzenelnbogener Einflußbereiches in keiner Weise entspricht. Die territoriale Basis dieser Herrschaft war im Vergleich mit den angrenzenden Territorien etwa der Grafen von Nassau oder gar der rheinischen Erzbistümer schmal, dazu in zwei Teile gespalten und in sich stark zerstückelt. Der politische Einflußbereich der Grafen erstreckte sich dagegen über das ganze mittelrhei-nische Gebiet, denn auf Grund ihrer Finanzmacht waren die Katzenelnbogener Grafen im 15. Jh. zu den größten Gläubi-gern der rheinischen Erzbistümer und der benachbarten kleineren Grafen und Herren aufgestiegen, was weitgehende politische Folgen, und zwar nicht nur im landesgeschichtli-chen Bereich hatte3'. Die kartographische Darstellung dieses wichtigsten Mittels der Katzenelnbogener Herrschaft und seiner Erfolge ist jedoch nur insoweit möglich, als es sich in territorialen Zugewinnen niedergeschlagen hat; denn politi-sche Weichenstellungen und Entscheidungsbeeinflussungen in ihrer graduellen Effizienz sind schwerlich zu kartieren. Außerdem ist im vorliegenden Fall festzuhalten, daß zumal für die beiden letzten und erfolgreichsten Katzenelnbogener Grafen Johann IV. (1402-1444) und Philipp d.Ä. (1444-1479) territoriales Ausdehnungsbestreben keineswegs das oberste Ziel ihrer politischen Absichten war, obwohl auch das nicht vernachlässigt wurde. An erster Stelle stand vielmehr die unablässig betriebene Ausdehnung ihres Rhein-zollbesitzes und damit ihrer Finanzmacht. Ihr Aufbau im 15. Jh. durch die Erwerbung von Rheinzollanteilen aus dem Besitz der rheinischen Kurfürsten, wie sie die Grafen in wenigen Jahrzehnten von Gernsheim am Oberrhein bis nach Lobith an der holländischen Grenze zustandebrachten, was außer ihnen kein anderes Geschlecht in der tausendjährigen Geschichte der Rheinzölle wieder erreicht hat, ist nicht nur für die politische Position der Grafen von ausschlaggebender Bedeutung gewesen, sondern zugleich auch das größte finanzgeschichtliche Ereignis dieser Zeit im westdeutschen Bereich und wird erst danach durch die großen Häuser der süddeutschen Handelsherren überboten.
Auf diese Seite der Geschichte der Katzenelnbogener Grafen ist hier jedoch ebensowenig einzugehen wie auf andere, etwa ihre Reichsdienstleistungen, obwohl auch sie wesentliche Grundlagen der territorialen Erfolge der Katzen-elnbogener Grafen gebildet haben. Wenn wir uns unserer Aufgabe entsprechend nurmehr darauf beschränken, Aufbau und Struktur der Grafschaft im späten Mittelalter darzustellen, dann ist zunächst darauf hinzuweisen, daß auch dieses als ein höchst bemerkenswerter Vorgang angesehen werden muß. Der Aufbau der Grafschaft erfolgte nämlich in einem Raum, der fest in der Hand der mächtigsten deutschen Fürsten und der von ihnen mehr oder minder abhängig kleineren Grafen und Herren zu liegen schien, und zu einer Zeit, in der die mittelalterliche Territorialbildung weitgehend abgeschlossen war. Gleichwohl ist es den Grafen gelungen, zwischen diesen Mächten eine eigene Herrschaft aufzubauen.
Ausgangspunkt ihrer Herrschaftsbildung war der Einrich, jene Hochfläche zwischen unterer Lahn, hinterem Taunus und Mittelrhein, auf der die Herren Diether und Heinrich (deren ältesten Stammnamen wir nicht kennen) offenbar nicht einmal alten Allodialbesitz hatten, sondern ihre Stel-lung zunächst nur auf ihre Funktion als Vögte der dortigen Besitzungen der Klöster Prüm, Siegburg und Bleidenstadt und des Erzbistums Mainz gründeten; denn ihre erste feste und daher namengebende Burg errichteten sie um 1095 über dem dem Kloster Bleidenstadt gehörenden Ort Katzenelnbogen. Daraufhin gaben sie ihre wahrscheinlich erste, minder bedeutende Anlage der »Alten Burg« über dem nicht weit entfernten Ort Egenroth auf, bezeugten jedoch ihre alte, echte Verbundenheit mit diesem Platze dadurch, daß sie am Fuße der »Alten Burg« ihr Hauskloster Gronau gründeten.
Noch wesentlicher war, daß die späteren Katzenelnbo-gener bereits Ende des 11. Jhs. für die Grafen von Arnstein, die nicht nur Inhaber der Grafschaft des Einrichs waren, sondern als Vögte des Klosters Prüm auch dessen wichtigen Platz St. Goar am Rhein besaßen, deren Stellung in St. Goar als Untervögte verwalteten und dann nach dem Aussterben der Grafen 1185 diesen dort als nunmehr unmittelbare Prümer Vögte folgten. Zuvor aber hatten sie im Verbund mit den Nassauer Grafen um 1160 einen wesentlichen Teil der Grafschaft auf dem Einrich aus dem gräflich Arnsteinschen Erbe des Rembold von Isenburg erworben, aus dem dann das spätere gemeinschaftliche »Vierherrengericht« (weil sich die Nassauer in drei Linien spalteten) hervorgegangen ist. Als dritte Position nach Katzenelnbogen in der Mitte des Einrichs und St. Goar im Westen am Rhein wurde noch im 12. Jh. im Osten des Einrichs die mächtige Burg Hohenstein über der Aar, die erzbischöflich mainzisches Lehen war, errichtet.
Zur gleichen Zeit entfalteten die Katzenelnbogener, nach-dem König Konrad 1138 an Heinrich von Katzenelnbogen die Grafschaft im Kraichgau (südlich Heidelberg) übertragen hatte, dort eine lebhafte, aber schließlich territorial ergebnislos gebliebene Politik. Doch ermöglichte diese es ihnen, dank ihrer darauf beruhenden ehelichen Verbindungen mit den Grafen von Henneberg als Lorscher Klostervögten, sich an der Bergstraße um Auerbach und Zwingenberg auf Lorscher Gebiet festzusetzen. Sie zögerten nicht, diese günstige Stel-lung durch den Ausbau von Zwingenberg und die Errichtung der Burg Auerbach zu sichern. Von hier aus gelang es Graf Diether III. (ca. 1190-1214) noch zu Anfang des 13. Jhs. durch Errichtung der Burg Lichtenberg im Odenwald Fuß zu fassen und Graf Diether V. (ca. 1245-1276) 1249 in den Wirren des staufischen Endkampfes den Reichsgutkomplex um die Königspfalz Trebur an sich zu bringen. Damit hatte er sich von Bergstraße und Odenwald aus den Zugang zum Rhein in breiter Front eröffnet. Nur ein Jahrzehnt später glückte es ihm, das Erbe der Herren von Dornberg anzutreten und damit in den Besitz der zugehörigen umfangreichen würzburgischen Lehen um Darmstadt-Bessungen und Groß- Gerau zu gelangen. Damit war der Kernbestand der sogenannten »Obergrafschaft« Katzenelnbogen gebildet, die später mit der Erwerbung von Rüsselsheim (vor 1323) auch den Main erreichte.
Entscheidende Fortschritte beim Ausbau der Altkatzen-elnbogener Besitzungen in der »Niedergrafschaft erzielte Graf Wilhelm I. (1276-1331) dadurch, daß er die Lücke zwischen den Grafschaftsteilen auf dem Einrich und um St. Goar am Rhein Ende des 13. Jhs. überbrücken konnte, indem er die bis dahin isenburgischen rechtsrheinischen Gebiete um St. Goarshausen, Bornich und Patersberg erheiratete. Sie waren Lehen des Erzbistums Trier. Zur gleichen Zeit gelang es Graf Eberhard I. (ca. 1260-1311), Burg und Stadt Braubach als pfälzisches Lehen von den Herren von Eppstein an sich zu bringen.
Dieser fortgesetzte Ausbau der Grafschaft wurde auch dadurch nicht gestört, daß die Katzenelnbogener Grafen Diether V. und Eberhard I. um 1260 die Herrschaft auf eine ältere und eine jüngere Linie aufteilten. Dabei erhielt die ältere, von Graf Diether V. begründete Linie vornehmlich Besitz in der niederen, die jüngere, von Graf Eberhard I. gegründete Linie vornehmlich in der oberen Grafschaft; doch verblieb jeder Linie im Bereich der anderen so viel an Besitz und Rechten, daß jede bemüht war, diese nicht aufzugeben, sondern zu vergrößern. Infolgedessen war die Grafschaft bei ihrer Wiedervereinigung unter einem Regenten weit größer und mächtiger als zuvor.
Von geringfügigen Rückschlägen abgesehen, die jedoch immer wieder überwunden und ausgeglichen wurden und daher für die territoriale Entwicklung bedeutungslos blieben, nahm der Ausbau der Grafschaft seinen steten Fortgang, vollzog sich aber z. T. in so kleinen Schritten, daß wir sie im einzelnen nicht aufzählen können. Wesentlich ist, daß die Katzenelnbogener dabei in nahezu sämtlichen benachbarten Herrschaftsgebieten Fuß faßten und sich darin unter den verschiedensten Besitztiteln festsetzten. Während die Grafen in der Obergrafschaft seit 1346 in die Herrschaft der Herren von Rodenstein im Odenwald und seit 1368 in das Landgericht der Herren von Wolfskehlen im Ried eindrangen, gewannen sie in der Niedergrafschaft 1369 den Herren von Winnenburg und Beilstein die Vogtei Pfalzfeld auf dem Hunsrück ab und schufen damit für St. Goar und Rheinfels das notwendige Hinterland. In den folgenden Jahren eröffneten sie sich den Zugang zu den Schlössern an der Lahn (Laurenburg, Schaumburg, Runkel, Dehrn), gelangten 1391 in den Mitbesitz von sechs nassau-diezischen Zenten auf dem Westerwald und ebendort 1398 in Besitz von zwei Dritteln des Amtes Driedorf als hessisches Lehen.
Der entscheidende Einbruch in die nassauischen Territorien auf dem Westerwald, im Lahngebiet und im Taunus gelang dann Graf Johann IV. 1403, als er von Graf Adolf von Nassau das Amt Camberg zum Pfand erhielt und ihm seine Stiefmutter Anna, geb. Gräfin von Nassau-Hadamar, ihr Erbe überließ. Es umfaßte Anteile an den Herrschaften Driedorf, Hadamar und Laurenburg mit dem Esterauer Gericht, eine Anzahl Dörfer (darunter [Bad] Ems) und Vogteien (darunter Dietkirchen) und das Einlösungsrecht an den Pfandschaften Wittgenstein, Laasphe, Staden in der Wetterau und der wetterauischen Reichslandvogtei sowie der Schlösser Braunfels und Weilmünster an der Lahn. Graf Johann hat zwar diese Rechtsansprüche nicht allesamt realisieren, jedoch die Westerwaldstellung in Driedorf, Ellar und Hadamar als Teilbesitz gemeinsam mit Nassau behaupten können.
Die Katzenelnbogener Territorialpolitik in der Obergrafschaft, die seit 1402 wieder mit der Niedergrafschaft unter Graf Johann IV. vereinigt war, ist im 15. Jh. durch den inneren Ausbau der Katzenelnbogener Herrschaft gekenn-zeichnet, vielfach in Auseinandersetzung mit dem dortigen niederen Adel, aber auch mit den Grafen von Sayn (wegen der falkenstein-münzenbergischen Erbschaft im Obergrafschaftsbereich) und mit dem Erzbistum Mainz (wegen der Behauptung und Ausübung von Hoheitsrechten). Dagegen griff die Katzenelnbogener Herrschaft im Einflußbereich der Niedergrafschaft immer weiter über die alten Grenzen hinaus, wobei die Hauptgewinne von Graf Philipp d. Ä. eingebracht wurden. Sie betrafen Herrschaftsrechte im Gebiet der Herren von Westerburg und Runkel, der Grafschaft Diez und der Herren von Eppstein. Damit hatte er die Katzenelnbogener Herrschaft vom Hohen Westerwald (Herschbach) über den Taunus (Altweilnau) bis in die Wetterau (Butzbach) ausgedehnt. Er erreichte diese Erfolge ohne kriegerische Auseinandersetzungen allein durch entsprechenden Einsatz seiner finanziellen Mittel, denn seine geschickte Rheinzollpolitik hatte ihn schließlich zur »allgemeinen Geldquelle am Rhein« werden lassen. Aus ihr aber haben nicht nur die genannten Grafen und Herren, sondern vor allem auch die rheinischen Kurfürsten immer wieder geschöpft. Diese haben sich dabei so hoch verschuldet, daß sie weder der Rheinzollpolitik des Grafen noch seinem Territorialausbau entscheidenden Widerstand entgegensetzen konnten. So hat Kurköln Graf Philipp 1445 die Stadt Rhens (gegenüber Braubach), 1451 das Schloß Rolandseck und 1456 (zusammen mit Frank von Kronberg) die Hälfte von Stadt und Zoll Linz am Rhein überlassen; mußte sich Kurtrier damit abfinden, daß ihm alle Rechte im St. Goarer Raum, die es von Kloster Prüm an sich gebracht hatte, an die Katzenelnbogener verlorengingen, Graf Philipp 1453 ein Viertel der Grafschaft Diez ankaufen und 1458 ein Viertel an Limburg a. d. Lahn mit Molsberg und Brechen einlösen konnte, während Kurmainz, das am höchsten bei Graf Philipp verschuldet war, ihm 1460 Zoll, Stadt und Amt Gernsheim am Rhein verpfänden und 1466 den Erwerb des Amtes Gau-Algesheim in Rheinhessen gestatten mußte.
Das Katzenelnbogener Territorium stellte also bei seinem Anfall an Hessen ein außerordentlich kompliziert aufgebautes und zusammengesetztes Herrschaftsgebiet dar. Die Herr-schaftsrechte in den einzelnen Grafschaftsteilen wechselten je nach dem Modus der Erwerbung von Gebiet zu Gebiet, sind aber bei den Verkäufen, Verpfändungen, Verleihungen vielfach überhaupt nicht hinreichend fixiert, sondern einfach herkommengemäß weiter ausgeübt worden.
Es war klar, daß die Beherrschung eines solchen in sich völlig uneinheitlichen Herrschaftsbereiches eine einwandfrei funktionierende politische, rechtliche und wirtschaftliche Verwaltung nicht nur erforderte, sondern geradezu zur Voraussetzung hatte. Sie ist von den Katzenelnbogener Grafen in mustergültiger Weise entwickelt worden und hat die Grafschaft mit einem dichten Netz von Verwaltungs- und Wirt-schaftszentren überzogen. Die zahlreichen Zeugnisse ihrer Tätigkeit in Gestalt von Rechnungen und Registern, die seit Anfang des 15. Jhs. erhalten sind, vermitteln eine genaue und umfassende Kenntnis der gräflichen Einkünfte und Rechte, die es ermöglichte, die Intensität ihrer Herrschaft in den einzelnen Gebieten abzuschätzen und zu bewerten.
Mittelpunkte der gräflichen Verwaltung waren die Burgen und Städte des Landes, wobei den Burgen als den ältesten und wichtigsten Herrschaftsstützpunkten die erste Rolle zukam, zumal auch alle Katzenelnbogener Städte, die Verwaltungssitze wurden, durch Burgen verstärkt waren. Hier war daher die Handhabung der herrschaftlichen Rechte am intensivsten, vorausgesetzt, daß das Amt im gräflichen Vollbesitz war. Wo die Grafen nicht alleinige, sondern nur mitbeteiligte Inhaber der Herrschaftsrechte und Einkünfte waren, mußte sich naturgemäß die Intensität der Verwaltung mindern. Für den Intensitätsgrad war dabei jedoch das jeweilige partner-schaftliche Macht- und Rangverhältnis von erheblicher Bedeutung und gemäß den Vorbesitzerverhältnissen von Mitteilhaber zu Mitteilhaber verschieden, so daß sich daraus für die verschiedenen Pfandschafts- und Teilherrschaftsge-biete verschiedene Einfärbungen ergaben. Bei deren Abschätzung (mehr ist nicht möglich) spielte naturgemäß auch das persönliche und zeitliche Moment eine Rolle, denn ein mitbeteiligtes Geschlecht konnte ganz unabhängig von seiner formalen Rechtsposition durch starke oder schwache, von den Katzenelnbogener Grafen abhängige oder unabhängige Personen vertreten sein.
Um von dieser Verwaltungsstruktur, die die Gestaltung des Kartenbildes bestimmt hat, eine hinreichende Vorstellung zu gewinnen, stellen wir sie abschließend in der Gestalt von etwa 1470 dar. Dabei ist zu beachten, daß die Vertreter der Hoheitsrechte und der Wirtschaftsverwaltung, die Oberamtleute und Amtleute einer- und die Landschreiber und Kellner andererseits, an den gleichen Orten saßen und amteten, so daß ein zügiges und reibungsloses Ineinandergreifen und Zusammenwirken der Verwaltung im politischen wie im wirtschaftlichen Bereich in hohem Maße gewährleistet war. Unabhängig von der Territorialverwaltung war die ausgedehnte, rein monetäre Rheinzollverwaltung, deren oberster Verwalter der Zollschreiber zu St. Goar war. Als Spitze der gräflichen Finanzverwaltung stand er aber nicht nur über sämtlichen anderen Katzenelnbogener Zollschreibern und Zöllnern, sondern auch über den regionalen und lokalen Wirtschaftsbeamten der territorialen Verwaltung, den Landschreibern und Kellnern, während die Oberamtleute und Amtleute unmittelbar an die gräflichen Weisungen gebunden waren. Die Grafen führten geradezu ein Leben im Sattel und waren daher fast allgegenwärtig, was der Effizienz der Verwaltung naturgemäß im hohen Grade zugutekam.
Die Landesverwaltung der Grafschaft Katzenelnbogen bestand im 15. Jh. aus den drei großen Landschreibereibezir ken der Obergrafschaft, des Einrichs und des Westerwaldes sowie den zuletzt noch erworbenen Kellereien der Grafschaft Nassau-Diez und der Herrschaft Eppstein. Sitz der Landschreiber und Oberamtleute war in der Obergrafschaft Darmstadt (und gelegentlich Dornberg/Groß-Gerau). Hier waren die Grafen alleinige Herren. Sitz der Landschreiber und der Oberamtleute des Einrichs war Burg Hohenstein über der Aar. Hier waren die Grafen alleinige Herren in Bezug auf die Altkatzenelnbogener Gebiete und Mitteilhaber hinsichtlich der Dörfer des Vierherrengerichts und der sog. 15 Überhöhischen Dörfer im Rheingau. Sitz der Landschreiber und Oberamtleute auf dem Westerwald war Hadamar. Hier wie in den Kellereien der Grafschaft Diez und der Herrschaft Eppstein waren die Grafen Teilbesitzer.
Zur Landschreiberei Darmstadt gehörten die Kellereien in Auerbach, Zwingenberg, Lichtenberg, Reinheim, Darmstadt, Dornberg/Groß-Gerau und Rüsselsheim. Von ihnen erhoben Abgaben, Steuern, Gefalle, erhielten Frucht, Vieh und Geflügel und forderten Dienstleistungen: Auerbach aus neun benachbarten Orten, Zwingenberg aus dreizehn Orten, Lichtenberg aus sieben Orten, Reinheim aus zwölf Orten, Darmstadt aus dreizehn Orten, Dornberg/Groß-Gerau aus 24 Orten und Rüsselsheim aus vier Orten. Das waren für die Obergrafschaft sieben Kellereien mit 82 Orten. Jede dieser Kellereien war gräflicher Vollbesitz, was auch für die genannten Dörfer hinsichtlich ihrer Hoheitsrechte galt, nicht aber bezüglich ihrer wirtschaftlichen und Dienstleistungen, an der auch der örtliche Adel und größere auswärtige Mächte (Pfalz, Mainz, Erbach, Isenburg u.a.) beteiligt waren. Alle Verwaltungssitze verfügten über eigene Burgen, um die sich im Laufe des 14. und 15. Jhs. in Zwingenberg, Reinheim, Darmstadt, Groß-Gerau und Rüsselsheim Flecken bzw. Minderstädte entwickelten. Weit abgesetzt vom Gebiet der Obergrafschaft lag schließlich noch die Kellerei Stadecken in Rheinhessen mit vier Orten.
Zur Landschreiberei des Einrichs in Hohenstein gehörten die Kellereien Burgschwalbach mit 16 abgäbe- und dienstpflichtigen Orten, Hohenstein mit 14 Orten, Braubach mit 14 Orten, Reichenberg mit 25 Orten und Rheinfels-St. Goar mit neun Orten. Das waren fünf Kellereien mit 83 Orten. Alle Kellereien waren mit eigenen Burgen ausgestattet, doch entwickelte sich bei keiner eine Stadt. Über Flecken von geringer Bedeutung kam keine der Talsiedlungen hinaus. Alle waren gräflicher Vollbesitz, während die Hoheitsrechte und Wirtschaftsleistungen, soweit sie aus den Überhöhischen Dörfern und denen des Vierherrengerichtes anfielen, mehrherrisch waren.
Zur Landschreiberei auf dem Westerwald in Hadamar gehörten die Kellereien Driedorf, Ellar und Hadamar, von denen nach Driedorf vier Ortschaften, nach Ellar 18 Ortschaften und nach Hadamar 13 Orte Abgaben und Dienste leisteten. Das waren drei Kellereien mit 35 Ortschaften. Jeder der drei Kellereisitze verfügte über eine Burg, und bei allen entwickelten sich Flecken, die zwar städtische Rechte, aber kaum städtische Funktionen besaßen. Alle drei Kellereien und die zugehörigen Dörfer waren Teilbesitz.
Dieses galt auch für die Katzenelnbogener Kellereien, die zur Grafschaft Nassau-Diez und zur Herrschaft Eppstein gehörten, die jedoch infolge ihrer späten Erwerbung bei ihrem Anfall an Hessen noch außerhalb der Verwaltungsgliederung der Altgrafschaft Katzenelnbogen standen. Das waren Diez mit 35 Ortschaften, Camberg mit 13 Dörfern und Altweilnau-Oberrosbach mit 17 Orten, während zu den Kellereien Eppstein und Butzbach jeweils 19 und 14 Ort-schaften gehörten. Das waren nochmals fünf Kellereien mit 98 Orten. Diez, Camberg und Butzbach waren zugleich Städte, alle verfügten über eigene Burgen.
Die ganze Grafschaft umfaßte demnach beim Erlöschen des Katzenelnbogener Grafenhauses 1479 21 Kellereien, von denen aus in 302 Orten die gräflichen Rechte wahrgenommen wurden. Zu Städten im rechtlichen und faktischen Sinne hatte sich dabei in der Obergrafschaft nur Darmstadt entwickelt, während Zwingenberg, Reinheim, Groß-Gerau und Rüsselsheim Minderstädte geblieben waren. In der Niedergrafschaft besaßen St. Goar, Braubach und Rhens städtischen Charakter, während die ebenfalls mit Stadtrecht begabten Orte St. Goarshausen und Katzenelnbogen von manchen Dörfern des Einrichs an Bevölkerungszahl und Wirtschaftskraft übertroffen wurden. Das Charakteristikum der Grafschaft waren jedoch nicht ihre Städte, sondern ihre Burgen, die- soweit sie nicht übernommen, sondern selbst erbaut worden waren - so ausgeprägte architektonische Eigenheiten zeigten, daß man heute von einem eigenen Katzenelnbogener Burgenbaustil spricht. Das waren in der Obergrafschaft Lichtenberg, Auerbach, Zwingenberg, Reinheim, Darmstadt, Dornberg bei Groß-Gerau und Rüsselsheim und in Rheinhessen die Burg Stadecken. In der Niedergrafschaft waren es Katzenelnbogen, Hohenstein, Rheinfels, Braubach, Reichenberg, Neu-katzenelnbogen (über St. Goarshausen) und Burgschwal-bach. Soweit sie Verwaltungszentren waren und dort Amtleute und Kellner saßen, waren sie mit weiträumigen Vorburgen und Wirtschaftsgebäuden ausgestattet. Dazu kamen dann die übernommenen Burgen an der Lahn, Diez und Schaumburg, auf dem Westerwald Herschbach, Driedorf, Ellar und Hadamar, im vorderen Taunus Camberg und Altweilnau und in der Wetterau Butzbach und Ziegenberg.
So stellte sich das Strukturbild der Grafschaft beim Erlöschen des Katzenelnbogener Grafenhauses äußerst facettenreich dar und bildete daher für die Landgrafschaft Hessen ein Erbe von höchster Komplikation; zwar von einem Reichtum und einer damit verknüpften politschen Bedeutung, wie es ihr weder vorher noch nachher jemals wieder zugefallen ist, aber infolge der zahlreichen Teilherrschaften und vielseitigen ver-meintlichen und berechtigten Ansprüche der benachbarten Grafen und Großen so bedroht, daß ein achtzigjähriger Behauptungskampf im »Katzenelnbogener Erbfolgestreit« zwischen Hessen und Nassau erforderlich war, um den Kernbestand der Grafschaft für Hessen im Frankfurter Frieden von 1557 zu sichern. Diesen territorialen Zustand beim Anfall der Grafschaft an Hessen im Jahr 1479 einigermaßen deutlich zu machen, hat die Gestaltung der Karte 17a des geschichtlichen Atlas von Hessen bestimmt.

ANMERKUNGEN
1) F. UHLHORN, Der geschichtliche Atlas von Hessen. Planung und Gestaltung, in: Hess. Jb. LG 23, 1973, S. 69. - Vgl. auch ebd. C. GRAMER, Aufgaben und Probleme landesgeschichtlicher Atlanten. Dargestellt am hessischen Atlaswerk. - Zu den Problemen landesge-schichtlicher Atlanten mit besonderer Berücksichtigung des Geschichtlichen Atlas von Hessen hatte Uhlhorn am gleichen Ort bereits in Bd. 11, 1961, und Bd. 8, 1958, in grundsätzlichen Ausführungen Stellung genommen.
2) W. STÖRMER, Zu Aufgaben und Methoden der Historischen Landeskunde, in: Siedlung und Wirtschaft. Festschrift Fritz Posch zum 70. Geburtstag, Graz 1981. Er billigt hier der Karte wegwei-sende Funktion zu.
3) Für die Fakten, die im folgenden genannt, aber nicht im einzelnen anmerkungsweise belegt werden, wird auf die angegebene Literatur hingewiesen, insbesondere die Regesten der Grafen von Katzeneln-bogen, in denen das gesamte, umfangreiche gräfliche Archiv publi-ziert und durch ein eingehendes Orts-, Personen- und Sachregister erschlossen ist. Außerdem ist den Regesten eine zusammenfassende Übersicht der wichtigsten Ereignisse vorausgeschickt.
4) Wir verweisen dabei auf die dem 4. Band der Regesten der Grafen von Katzenelnbogen beigegebene »Verwaltungskarte der Grafschaft Katzenelnbogen von etwa 1470«, die die einzelnen Orte namentlich verzeichnet und ihre verwaltungsmäßige Zuordnung kenntlich macht. Sie ist ebenso wie die Karte des Geschichtlichen Atlas von Hessen auch von Maulhardt seinem Werke beigegeben worden. Die von Barbara Demandt gezeichnete Karte »Die Grafschaft Katzeneln-bogen im Jahr 1479« in meiner »Geschichte des Landes Hessen«, 3. Aufl. 1980, nach Seite 208, zeigt die bei Hessen verbliebenen und die 1557 an Nassau verlorenen Gebiete der Grafschaft.
LITERATUR
BUCHENAU, H.: Die ältesten, bisher unbekannten Münzen der
Grafen von Katzenelnbogen, in: Zs. für Numismatik 20, 1897. DEMANDT, K. E.: Regesten der Grafen von Katzenelnbogen
1060-1486, 4 Bde. (VHKN 11), 1953-1957. DERS.: Das Katzenelnbogener Rheinzollerbe 1479-1584, Bd. 1: Der
Zoll zu St. Goar 1480-1538 (VHKN 25), 1978. DERS.: Die Anfänge des Katzenelnbogener Grafenhauses und die
reichsgeschichtlichen Grundlagen seines Aufstieges, in: Nass.
Ann. 62, 1952, S. 17-71. DERS. : Die letzten Katzenelnbogener und der Kampf um ihr Erbe,
ebd. 66, 1955, S. 98-132. DERS.: Landschreiberei und Amt Hohenstein im 15. Jahrhundert,
ebd. 58, 1938, S. 57-68. DERS.: Die Grafen von Katzenelnbogen und die Landgrafen von
Hessen am Mittelrhein, in: Zwischen Rhein und Mosel. Der Kreis
St. Goar, hrsg. von F.-J. HEYEN, 1966, S. 87-100. DERS.: Die Grafen von Katzenelnbogen und ihr Erbe, in: Hess. Jb.
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DERS.: Der goldene Grund, in: ZHG 87, 1978/79, S. 17-33. DIESTELKAMP, B.: Das Lehnrecht der Grafschaft Katzenelnbogen
(13. Jahrhundert bis 1479) (Unters, dt. Staats- und Rechtsgesch.
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DERS.: Der Streit um die Zent Erfelden in der Obergrafschaft Katzenelnbogen (1425-1441). Ein Beitrag zur Geschichte des deutschen Verfahrensrechtes sowie zur hessischen Rechtsge-schichte, in: Geschichte und Verfassungsgefüge. Frankfurter Fest-gabe für Walter Schlesinger (Frankfurter Hist. Abh. 5), 1973, S. 113-155.
FLACH, D.: Karl IV. und die Grafen von Katzenelnbogen, in: Bll. dt. LG 114, 1978, S. 441-456.
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DERS.: Die Höfe der Katzenelnbogener in der Obergrafschaft. Ein Beitrag zur Agrar- und Wirtschaftsgeschichte des beginnenden 15. Jahrhunderts, ebd. 32, 1974, S. 161-191.
MAULHARDT, H.: Die wirtschaftlichen Grundlagen der Grafschaft Katzenelnbogen im 14. und 15. Jahrhundert (Qu. Forsch, hess. G 39), 1980.
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