Die Zeit der Grafen von Katzenelnbogen (ca. 1350-1479) von K.E.Demandt

1.
Rheinfels als Residenz der katzenelnbogener Grafen bis zum Erlöschen ihres Geschlechts

Von allen Burgen der Grafschaft Katzenelnbogen kam Rheinfels als Residenz, Verwaltungszentrale und Festung der erste Rang zu. Er bahnte sich an unter Graf Wilhelm I (gest.1331), wuchs unter Graf Wilhelm II (gest 1385) und erreichte seinen Höhepunkt unter den beiden letzten Grafen Johann IV (1402-1444) und seinem Sohn Graf Philipp d. Ä. (1444-1479). Es war ein ununterbrochener Aufstieg, der sich im Laufe des 14. Jahrhunderts immer deutlicher abzeichnete und schließlich im 15. Jahrhundert alle anderen katzenelnbogener Burgen überflügelte. Die Voraussetzung hierfür war die Wiedervereinigung der um 1260 zwischen Graf Diether V und Graf Eberhard I geteilten Grafschaft und des  darauf in zwei Linien gespaltenen Geschlechts. Sie wurde angebahnt, als sich Graf Eberhard V von der älteren und Graf Diether VIII von der jüngeren Linie entschlossen ihre beiden Kinder Anna und Johann miteinander zu vermählen; denn Anna war die einzige Tochter Graf Eberhards V und Johann der einzige Sohn Graf Diethers VIII. So führten ihre Heirat  um 1384 beide Linien und der Regierungsantritt Graf Johanns IV 1402 auch beide Grafschaftsteile wieder zusammen.
Johann und Anna, die 1493 starb, hatten nur ein Kind: Philipp, der 1422 Gräfin  Anna von Württemberg heiratete. Er war der territorialpolitisch und finanziell erfolgreichste, aber menschlich glückloseste Angehörige seines Geschlechts. Seine Ehe wurde auf Grund von Annas krassem Fehlverhalten 1456 kirchlich getrennt, worauf Anna nach Württemberg zurückging. Seine beiden Söhne starben in jungen Jahren. Graf Philipp d. J. erlag 1453 in Darmstadt der Schwindsucht, Graf Eberhard wurde 1456 zu Brügge in Flandern erstochen. So blieb ihm als einziges legitimes Kind die Tochter Anna. Ihre Mutter, Anna von Württemberg, starb 1471, worauf Graf Philipp d. Ä. auf Drängen der Landschaft nach einem Katzenelnbogener Erben 1474 nochmals heiratete; aber diese Ehe mit der verwitweten Herzogin Anna von Braunschweig-Lüneburg, einer geborenen Gräfin von Nassau-Dillenburg, blieb kinderlos. So zog Anna, auf die kurz nach ihrer Heirat ein Giftmordanschlag verübt worden war, nach dem Tode Graf Philipps 1479 sofort nach Celle zurück.Die Grafschaft fiel an den Gemahl von Graf Philipps Tochter Anna Landgraf Heinrich III von Hessen-Marburg zurück.
Mit dieser Erbschaft, die sein Herrschaftsgebiet fast um das Doppelte vergrößerte, wurde nunmehr Landgraf Heinrich Herr von Rheinfels. Diese Burg machte auf seine hessischen Zeitgenossen einen solchen Eindruck, dass sie Wigand Gerstenberg in seiner grossen Hessenchronik um 1495 gleich zweimal abbilden ließ; denn Rheinfels übertraf die landgräfliche Residenz Marburg an Ausdehnung, Stärke und Größe und kam ihr an herrschaftlicher Repräsentation gleich. Das Marburger Schloß blieb erhalten und vermittelt uns noch heute die Anschauung einer mittelalterlichen Residenz, Rheinfels wurde zerstört und bietet uns ein solches Bild nicht mehr. Gleichwohl ist es möglich, anhand der übrig gebliebenen stattlichen Ruinen und insbesondere dank der exakten und zugleich künstlerisch hochwertigen Pläne, Schnitte und Ansichten, die der hessische Chronist, Geograph und Landmesser Wilhlem Dilich, gen. Scheffer von der Burg in den Jahren 1607/08 angefertigt hat, eine hinreichende Vorstellung von der Gestaltung der mittelalterlichen Katzenelnbogener Burg zu gewinnen; denn die Umänderungen, die Rheinfels in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts durch Landgraf Philipp II von Hessen-Rheinfels erfahren hat, betrafen nur den äußeren Auf- und Ausbau, nicht die Grundkonzeption der Anlage. Diese lassen Dilichs Pläne und der heutige Baubefund noch klar erkennen. Wertvolle zusätzliche Angaben bieten die Abrechnungen des obersten Katzenelnbogener Rechnungsführers, des Zollschreibers zu St. Goar, aus der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts. Seine Nachweise der Rheinfelser Bau- und Reparaturkosten benennen wohl die meisten Räume und Gebäude der Burg, ohne sie allerdings zu lokalisieren; doch sind auch hierfür Dilichs Pläne und Schnitte noch bedingt hilfreich.
Die ältere Baugeschichte der Burg ist geklärt. Sie vollzog sich im wesentlichen in zwei Etappen. Die erste umfaßte  die Jahre in der Mitte des 13. Jahrhunderts, nachdem Graf Diether V Ende 1245 den Bau begonnen  und in wenigen Jahren vollendet hatte; die zweite umfaßte die Jahre in der Mitte des 14. Jahrhundets, in denen Graf Wilhelm II die Burg großzügig ausbaute. Der älteste Bau im Zentrum der Gesamtanlage bestand aus der inneren Schildmauer mit anschließendem Bergfried, Brunnen und Palas. Dazu kamen wohl noch einige wenige nicht mehr nachweisbare Nebengebäude. Die Burg war vor 1251 vollendet, denn im März dieses Jahres einigte sich Graf Diether nach langem Streit mit dem Abt des Klosters Prüm als dem Lehnsherren von St. Goar dahin, dass der Abt unter Vorbehalt des Öffnungsrechtes die Burg dem Grafen Diether als Lediglehen übertrug. Die Stärke der Burg war für ihre Zeit außerordentlich. Das bezeugen nicht nur ihre über drei Meter starke Schildmauer und der 40 Meter hohe Bergfried, der zu den höchsten seiner Zeit gehörte, sondern auch ihre lange, vergebliche Belagerung durch den rheinischen Landfriedensbund; denn diesem Angriff hielt sie nach dem Bericht der zeitgenössischen Wormser Chronik seit Oktober 1256 ein Jahr und 14 Wochen lang stand, ohne erobert zu werden.
Diese älteste Burganlage ist dann in der Mitte des 14. Jahrhunderts erheblich erweitert worden. Das geschah im Zuge der Vergrößerung dieser und anderer katzenelnbogener Burgen durch Anlage geräumiger Wirtschaftshöfe, die der Kernburg vorgelagert und durch eine zweite, eigene Schildmauer geschützt wurden. Dafür bieten Rheinfels und Hohenstein charkateristische Beispiele. Bauherr war Graf Wilhelm II, der seinen 1331 verstorbenen Vater Graf Wilhelm I gefolgt war, und sich demgemäß am 9 Februar 1332 Graf von Katzenelnbogen, Herr zu Rheinfels, nannte. Unter ihm erhielt die Burg ihre noch aus dem heutigen ruinösen Zustand erkennbare Gestalt. Im Osten entstand in erheblichem Abstand von der inneren die noch stärkere und höhere äußere Schildmauer. Sie war von zwei Türmen flankiert, dem Torturm mit der äußeren Pforte, Uhrturm genannt, und dem Armbrüsterturm. Diese äußere Schildmauer wurde auf der sturmfreien Süd- und Westseite der Burg minder stark weitergerführt, so dass um die alte Kernburg ein Freiraum entstand, der größer als jene war. Zwischen den beiden Schildmaueren breite sich nunmehr ein großer Zwinger aus, unter dem ein riesiger naturgewölbter Keller ausgehoben wurde, während man im Westen die Burgmauer so weit vorschob, dass an ihrer Innenseite einige kleinere Räume angebaut werden konnten. Den krönenden baulichen Abschluß fand die Burgerweiterung durch den mit drei Türmen geschmückten Kapellenbau an der Nordwestecke, der nun neben dem alten Palas die Rheinfront der Burg beherrschte.
Bis dahin hatte es innerhalb der Burg keine Kapelle gegeben. Erst 70 Jahre nach der Burganlage, im Juni 1315  erwirkte Graf Wilhelm I vom Archidiakon der Trierer Kirche die Erlaubnis, bei (also ausserhalb) der Burg eine Kapelle und einen Friedhof zu errichten, um dort das Burggesinde bestatten zu können. Der Ort dieser Kapelle ist unbekannt; sie dürfte jedoch der örtlichen Situation gemäß im Südwesten vor der Burg gelegen haben. Der zweite repräsentative Kapellenbau - nunmehr innerhalb der Burg - für dessen kirchenrechtliche Bauerlaubnis keine Beurkundung überliefert ist, entstand wie erwähnt mit dem Ausbau der Burg durch Graf Wilhelm II der dafür am 3. Februar 1371 einen Altar mit einer ewigen Messe (1435) stiftete. Er errichtete ihn zu Ehren Gottes, seiner Mutter(!) Maria und der Heiligen drei Könige sowie der Heiligen Georg und Goar und zum Seelenheil für sich, seine Gemahlin, seinen Bruder Eberhard und die anderen Geschwister und alle ihre Vorfahren. Er stattete den Altar mit einem Zins von 6 Gulden und 5 Malter Korn jährlich für einen Priester aus, der mindestens viermal in der Woche die Messe lesen und Essen und Trinken auf der Burg in der gleichen Güte wie die Grafen erhalten sollte. Der durchweg als Kaplan bezeichnete Priester wohnte also auf der Burg, wo auch seine Stube bezeugt ist.
Zum Seelenheil seines Bruder, Graf Wilhelm II, stiftete dann auch Graf Eberhard V  als dessen Nachfolger auf Rheinfels am 6. Juni 1386 einen Altar, der Maria, einem Evangelisten und den Heiligen Barbara und Katharina geweiht wurde. Da der Priester vom Stifter verpflichtet wurde wöchentlich mindestens drei Messen zu singen (und nicht nur zu lesen), war dieser Altar wesentlich höher dotiert als derjenige Graf Wilhelm II. Dessen Altarstiftung ist gewissermassen als Abschluß des großartigen Ausbaus der Burg angesehen worden. Da er aber am 3. Februar 1371 nicht nur für Rheinfels, sondern auch für Reichenberg, Neu-Katzenelnbogen und Dornberg je einen Altar gestiftet hat (1436-1438), muss man dann wohl diese frommen Stiftungen als Dank zum Abschluß seines ganzen Burgenumbauprogramms ansehen. Ob man sie allerdings so deuten darf, muss offen bleiben zumal Graf Wilhelm damals auch ein Seelgerät für sich und seine Angehörigen mit ihren Vorfahren im Klarissenkloster Bärbach stiftete 1447 und nur wenige Jahre später am Fuße seiner Burg Reichenberg eine zweite Kapelle errichten ließ. Auch die Altarstiftung Graf Eberhards von 1386 auf Rheinfels und seine Kapellen- und Altarstiftung von 1389 auf Burgschwalbach hingen wohl nicht mit Bauabschlüssen zusammen.
Über eines aber geben die Altasrstiftungen Graf Wilhelm II sichere Auskunft über die Heiligen, die der Graf besonders verehrte. Das waren die Heiligen drei Könige, Georg und Goar, die Heiligen Nikolaus, Georg und Christopherus (Reichenber) und Katharina. Der Ritterheilige Georg und der Hl. Christopherus, dem u.a. die Reichenberger Kapelle geweiht war, waren also zweimal vertreten und kehren ein drittes Mal in der Ausmalung der St. Goarer Kirche wieder, dem umfänglichsten Denkmal der Wandmalerei, das sich aus dem späten Mittelalter vom Rhein erhalten hat. Der heilige Christopherus darf wohl als Schutzpatron des wichtigen St. Goarer Rheinüberganges angesehen werden, denn auf der übergroßen Darstellung des Heiligen in der St. Goarer Kirche trägt er das Christuskind unterhalb der Loreley über den Strom, während zu seinen Füßen im Wasser Lachs und Krebs dargestellt sind, womit offenbar auf die dortigen äußerst ergiebigen  Salmenfangplätze hingewiesen wird.
Der durch die Altasrstiftungen Graf Wilhlem II vielleicht angedeutete Abschluß seines großen Burgenbauprogramms bedeutete allerdings nicht, dass damit die Baumaßnahmen, zumal an einer Burg von der Ausdehnung von Rheinfels, beendet gewesen wäre. Denn allein für ihre Unterhaltung war eine ständige weitere Baubetreuung notwendig, wie sie uns in drastischer Weise schon die erste erhalte St. Goarer Zollschreiberrechnung von 1410 vor Augen führt. Damals leisteten die Zimmerleute Meister Heinrich und Meister Emmerich von Ölsberg nicht weniger als 504 Tagewerk auf der Burg, kaufte der Zollschreiber für Rheinfels 2000 gebackene Steine in Kaub und 4000 gebackene Steine in Mainz, während ein Streinbrecher 106 Tage lang Steine brach und der Steinmetz Peter 146 Tage die Steine zurichtete. Die Maurer Hermann und Henne, Brüder, mauerten 206 Tage, wobei ihnen ein Maurer aus Oberwesel zehn Tage lang am Gewölbe half und drei Maurergehilfen zusammen 267 Tage lang tätig waren. Dazu wurden zusätzlich 80 Bütten Kalk gekauft, an dem meistens Mangel herrschte; so hat Graf Philipp am 6. August 1436 den Frankfurter Rat um 30 Haufen Kalk für einen angefangene Bau ersucht, dieser ihm jedoch nur 15 Haufen zugestanden.
Die sicherste und bemerkenswerteste baugbeschichtliche Nachricht bieten die vier Altarstiftungsurkunden Graf Wilhelm II von 1371 jedoch in ihrer Datierung. Sie lautet jedes Mal "uf der festen Rynfels" und kommt so nur noch in einer Urkunde der Zeit für das benachbarte Neu-Katzenelnbogen vor. Diese Charakterisierung der Burg war berechtigt angesichts der zweiten gewaltigen Schildmauer, mit der sie der Graf verstärkt hatte. Dabei ist es für die Katzenelnbogener Burgenbaukunst typisch, dass man auch bei reinen Wehrbauten nicht auf Schmuckformen verzichtete. Das zeigen die Rundbogenfriese, die die mächtigen Schildmauern von Hohenstein, Reichenberg und Rheinfels gliedern, aber ebenso auch die Wände des Rheinfelser Kapellenbaus und des Darmstädter Palas schmücken.
Mit diesem Festungsausbau war es jedoch nicht getan. Die Verstärkung der Stellung auf dem linken Rheinufer wurde ergänzt durch entsprechende Befestigungen auf dem gegenüberliegenden rechten Ufer. Das geschah durch die Errichtung der Burg Neu-Katzenelnbogen am Hang über St. Goarshausen in direkter Blickverbindung zu Rheinfels und durch den Bau des mächtigen Turmes direkt unter der Burg an der rheinaufwärigen Ortsspitze von St. Goarshausen unmittelbar am Ufer. Die Burg war ein Werk Graf Wilhelm II, der ihr den programmatischen Namen Neu-Katzenelnbogen gab und damit bekundete, dass nunmehr das Katzenelnbogener Zentrum am Rhein lag. Sie ist in den sechziger Jahren des 14. Jahrhunderts erbaut worden, denn 1371 erscheint sie als fertiges Bauwerk mit einer eigenen Kapelle. Der Turm unterhalb der Burg am Rheinufer ist gleichfalls Werk Graf Wilhelm II anzusehen, denn ohne dessen Zustimmung und noch weniger ohne dessen Mittel hätte die damals noch bescheidene Siedlung St. Goarshausen diesen mächtgen Turm nicht errichten können.
Der stratigische Zweck beider Anlagen ist eindeutig. Die Burg diente neben der Verstärkung von Rheinfels von der rechten Rheinseite her in gleicher Weise dem Schutz und der Sicherung des berühmten, vielbenutzten Rheinpasses, der uralten Fähre über den Rhein zwischen St. Goar und St. Goarshausen, die noch heute besteht und damit über eine geradezu einzigartige Tradion verfügt. Die vom Stromübergang weiterführenden Wege auf der linken Rheinseite mit dem Aufstieg zum Hunsrück und weiter nach Westen konnten gegebenenfalls von Rheinfels gesperrt werden, der Aufstieg zum Einrich und weiter nach Osten war zuerst von der Burg Reichenberg einigermaßen gedeckt worden. Da Reichenberg aber nicht unmittelbar am Rhein lag schob Graf Wilhelm II als Verbindungs- und Zwischenglied zwischen Rheinfels und Reichenberg Neu-Katzenelnbogen ein, so dass damit eine dreigliedrige, strombeherrschende Festungsanlage geschaffen war.